
Kirchlichen Gebäudebestand zukunftsfähig machen - ökumenische Lösungansätze
Knapp 80% der CO2e-Emissionen der Erzdiözese Freiburg entstammen laut Energiebericht 2024 dem Gebäudebereich. Deren Reduktion bildet somit den Kernaufgabenbereich, um klimaneutral zu werden, wobei Klimaneutralität im kirchlichen Kontext noch zu kurz gesprungen ist. Mit Blick auf die Bewahrung der Schöpfung und der weltweiten Gerechtigkeit muss auch im Bauwesen das Thema auf die Nachhaltigkeit ausgeweitet werden.
Welche Lösungen und Wege gehen die deutschen Bistümer und Landeskirchen für diese Aufgabenstellungen? Katharina Schindelmeier, Referentin für Nachhaltigkeit im kirchlichen Bauen im Erzbischöfliches Bauamt Heidelberg, gibt Einblick in die Ergebnisse einer einjährigen Recherche mit der Erzdiözese Freiburg (EDFR) als Ausgangspunkt.
Manpower
Der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit in jeder Organisation ist das klare Bekenntnis der obersten Hierarchieebenen zu Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen und zur Unterstützung der Umsetzung der daraus folgenden Maßnahmen. In Folge muss Personal für die anstehenden Aufgaben aufgebaut werden, eine Förderung auf Basis der Kommunalrichtlinie der Nationalen Klimainitiative (NKI) ist auch für Kirchen möglich.
In der Erzdiözese Freiburg hat Erzbischof Stephan bereits 2018 das Ziel der klimaneutralen Erzdiözese 2030 ausgerufen und eine abteilungsübergreifende „Kommission Schöpfung und Umwelt“ ins Leben gerufen, für die flankierend eine umsetzende Diözesanstelle installiert wurde. Zusätzlich wurde das dreijährige Projekt „Neuausrichtung des kirchlichen Bauens zur Erreichung der Klimaziele“ gestartet, deren Referentin mit einer abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppe erweiterte Nachhaltigkeitskriterien in das erzbischöfliche Bauwesen einbringen darf. Die umfangreichen Recherchen bilden die Basis dieser Zusammenstellung von Lösungsansätzen. (Siehe auch das Team der Erzdiözese Köln, Bistum Eichstätt Architektin für Bauberatung für nachhaltiges Bauen).
Finanzierung
Handlungsfähig werden die aufgebauten Strukturen durch ausreichende Finanzierung. In der Erzdiözese Freiburg wurde ein Klimaschutz-Fonds aufgelegt, dessen Befüllung mit 100€/t CO2e an die Höhe der CO2e-Gesamtemissionen der Erzdiözese gekoppelt wurde und aus dem bisher 26 Projekte mit einer Gesamtfördersumme von gut 13 Mio. € finanziert wurden (Vergl. auch Bistum Eichstätt).
Das Beantragen öffentlicher Förderungen kann weitere Maßnahmen ermöglichen: So erhält z.B. die Erzdiözese Köln für ihr Projekt Biodiversitätscheck in Kirchengemeinden Fördermittel aus dem Bundesprogramm leben.natur.vielfalt. und kann dadurch an kirchlichen Gebäuden Maßnahmen zum Erhalt und Förderung biologischer Vielfalt finanzieren.
Zieldefinition – Klimaschutzkonzept, Klimaschutzgesetz
Um die Finanzmittel zielgerichtet einsetzen zu können braucht es klar formulierte Ziele, die in Folge in Maßnahmen-, Zeit- und Finanzierungspläne ausgearbeitet werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland macht hier verbindlichere Vorgaben als die Katholische. Die Klimaschutzgesetzgebungen in den evangelischen Landeskirchen basieren auf der Klimaschutzrichtlinie (Sept. 2022), die Klimaschutzgesetzgebungen vieler Landeskirchen folgten.
Die katholische Bischofskonferenz hat 2018 in den „Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-) Diözesen“ die umweltverträgliche Gestaltung des kirchlichen Gebäudemanagements eingefordert, im Klima- und Umweltschutzbericht 2021 der Deutschen Bischofskonferenz werden weitere Themen des Nachhaltigen Bauens adressiert.
Für die Diözese Freiburg wurden in Form eines Klimaschutzkonzepts allein 18 Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele für den Gebäudebereich erarbeitet. Die große Herausforderung ist die Maßnahmen zu priorisieren und umzusetzen.
Gebäudereduktionsprozess
Die gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen zwingen zur Umstrukturierung und zur Reduzierung des Gebäudebestandes. Der Umgang damit ist unterschiedlich.
Als herausstechendes Beispiel muss das Vorgehen der Evangelischen Landeskirche Baden (EKIBA) genannt werden, die derzeit in die Umsetzungsphase ihres Sanierungsgesamtplanes ihrer Gebäude startet. Die benachbarte Landeskirche Württemberg wertet derzeit eine aufwändige Gebäudezustandserfassung aus und plant in Folge an die Gemeinden heranzutreten. Eine aufwändige Prozessbeschreibung bietet der EKM mit „Von mutigen Aufbrüchen und notwendigen Abschieden“.
Auch auf katholischer Seite laufen Prozesse zur Gebäudereduktion z.B. startet die Diözese Rottenburg-Stuttgart in den Prozess „Räume für eine Kirche der Zukunft“, im Bistum Mainz ist die Bearbeitung der Gebäudefrage Teil des „Pastoralen Wegs“. Im Bistum Essen wird bereits seit 2018 der „ImmobilienRaum“ angeboten, zu veräußernde Immobilien werden auf der zentralen Immobilienplattform mit Konzeptvergaben angeboten. Auch das bayrische Bistum Bamberg bietet in kleinerem Umfang auf ihrer Homepage Liegenschaften zum Verkauf. Zunächst wird jedoch geprüft, ob sich die Objekte gewinnbringend zu sogenannten „Erwerbsobjekten“ entwickeln lassen, um den Kirchengemeinden hilfreiche Einnahmen zu sichern. (Siehe auch Regensburg Bauleitlinien S.45ff, Rottenburg-Stuttgart, Köln „Kirchen (um-)nutzen“, KIS Limburg).
Temperierung in Kirchen (als Teil der Optimierung im Betrieb)
Ein Zusammenschluss von 19 (Erz-)Bistümern ruft seit Winter 2022/23 gemeinsam zu „Verantwortungsbewussten Temperieren von Kirchen im Winter“ auf (vgl. auch Regensburg S. 277ff; ELK WUE). Die EDFR bietet außerdem für den Betrieb von Heizungsanlagen in Kirchen Temperierungsmodelle zur Orientierung, die gemeinsam mit den benachbarten Baden-Württemberger Diözesen und Landeskirchen entwickelt wurden.
Neben der Optimierung der Bestandsheizungssysteme ist die grundsätzliche Abkehr von der Dauerbeheizung kompletter Räume hin zu kurzzeitiger Temperierung im Umfeld der Nutzer ein Ziel. Die Synode der EKiBa, hat dazu eigens Beschlüsse gefasst und KNUT, die „KörperNahe Umfeld Temperierung“ zum Standard erhoben.
In der EDFR gilt beim Thema Heizung eine wichtige verbindliche Vorgabe: Heizungen auf Basis nicht erneuerbarer Energien sind bei Neueinbau von Heizungen in kirchliche Gebäude untersagt. Vergleichbare Vorgaben in „Soll“ oder „Muss“-Verbindlichkeit sind unter den Kirchen weit verbreitet.
Darüber hinaus muss bei jeder Maßnahme an Heizungen in der EBFR eine Energieberatung durch einen Rahmenvertragsnehmer absolviert werden, um Förderung erhalten zu können.
Die Erzdiözese Köln bietet im Rahmen ihrer Wärmwende fachkundige Ansprechpersonen, um die Kirchengemeinden bei den im Bauwesen üblichen Standardprozessen zu begleiten.
PV-Offensive
Die Umstellung der kirchlichen Stromversorgung auf Ökostrom der vier großen Kirchen in Baden-Württemberg wurde schon 2008 durch die gemeinsame Gründung des Energieversorgers KSE forciert. Für den PV-Ausbau in der Erzdiözese wurde 2024 eine eigene Betreibergesellschaft (Erzdiözese Freiburg Energie GmbH) gegründet, mit der den Kirchengemeinden ein umfangreiches „Projektentwicklungsprogramm“ zur Errichtung und zum Betrieb von PV-Anlagen auf den gemeindeeigenen Gebäuden angeboten wird. Vergleichbare Initiativen – mitunter mit anderen strategischen Ansätzen – gibt es auch bei ELK WUE, EKIBA, DRS, Erzbistum Köln, EKBO, PV EKD.
Nachhaltigkeit bei Instandhaltung-, Sanierungs- und Baumaßnahmen
Regelmäßige Bauschau ist die Basis professionellen Facilitymanagements und nachhaltigen Handelns im kirchlichen Bauwesen – ein Thema, in das u.a. nach dem Einsturz der St. Elisabeth Kirche in Kassel Dynamik gekommen ist, weil rechtliche Risiken wie Verkehrssicherheits-, Brandschutz- oder Standfestigkeitsmängel verstärkt in den Fokus kommen. Die Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Speyer haben beispielhafte Dokumente online gestellt, in der EBFR werden Begehungen zur Überprüfung der Standsicherheit forciert.
Aus erfassten Mängeln oder geändertem Nutzerbedarfen ergeben sich Sanierungs- und Baumaßnahmen, bei denen alle Themen des nachhaltigen Bauens beachtet werden sollten.
Ein hervorstechendes Umsetzungsbeispiel ist die sogenannte „Grüne BauOrdnung“ der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die in Kombination mit einem punktebasierten Fördersystem und einem Nachhaltigkeitspreis Ende 2022 in Kraft gesetzt wurde.
Für das Thema ökologische Baustoffe wurde im Erzbistum München-Freising der „Leitfaden Nachhaltige Baumaterialien“ erarbeitet, in dem in einer Tabelle produktunabhängige Empfehlungen für Ausschreibungsvorgaben zu allen wesentlichen Baustoffklassen gesammelt wurden.
LNB – Leitfaden Nachhaltig Bauen
Die EDFR erwägt derzeit einen anderen Lösungsweg: Die Implementierung des „Leitfaden Nachhaltig Bauen“ (LNB) der AnBau Agentur für Nachhaltig Bauen aus Lindau. Der LNB basiert auf einem niederschwelligen, prozess- und lösungsorientierten Gebäudebewertungstool für öffentliche Bauten in Vorarlberg. Auf Initiative des Landkreises Ravensburg wurde das System an deutsche Nachweisverfahren angepasst und wird nun dort und im Landkreis Karlsruhe bei kommunalen Projekten eingesetzt. Der vielversprechende Anpassungsprozess auf die kirchlichen Bedingungen in Freiburg steht am Anfang, wird aber zügig vorangetrieben.
Bemühungen sichtbar und messbar machen
Nachhaltiges Handeln muss wahrnehmbar, messbar und vergleichbar werden, weil sich nur so Fortschritte erfassen und auch belohnen lassen.
Kommunikation in alle Richtungen scheint am Ende über den Erfolg aller Bemühungen zu entscheiden: zwischen den Planern und Fachplanern, zu den Bauherren und Nutzern und nach außen. Homepages wie das „Umweltportal“ der EDFR oder „Klima+Kirche“ und der Podcast „Klima und Kirche“ der Erzdiözese Köln erreichen viele Interessierte. Viel hängt von einzelnen „Playern“ ab, die in den Landeskirchen und Bistümern zum Thema eingestellt wurden, so bekundet der Fortschrittsbericht zur Klimaschutzrichtlinie der EKD (ab S. 56), dass ca. 80% der Landeskirchen Klimaschutz-Stellen geschaffen haben. Auf katholischer Seite ist hier mit Sicherheit noch Luft nach oben.
Der ursprüngliche evangelische Anspruch „Motor, Mittler und Mahner“ des Schutzes der Schöpfung zu sein erklingt mittlerweile in allen christlichen Konfessionen und auch bei Muslimen (Podcast Klima und Kirche #13) und Juden (Klima Allianz Deutschland).